„Ich wurde überregional zum Feindbild“ – Interview mit Alexander Roth




Alexander Roth ist stellvertretender Leiter der Online-Redaktion beim Zeitungsverlag Waiblingen. Zu seinen thematischen Schwerpunkten zählen Rechtsextremismus, die Querdenker-Bewegung, Reichsbürger und Verschwörungsideologien. Für seine umfangreichen Recherchen zur Querdenker-Szene in der Region Stuttgart erhielt er den 1. Preis des Deutschen Lokaljournalistenpreises 2021. Im Interview spricht Alexander Roth über Tage, die bereits mit Beschimpfungen und Bedrohungen beginnen, das Gefahrpotential von Telegram sowie die aktuellen Herausforderungen und Gefährdungslagen von Lokaljournalist:innen.

Quelle: Alexandra Palmizi

ECPMF: Mit Ihrem Tweet vom 03.11.2022 möchte ich starten: „Mein Morgen beginnt heute mit Beleidigungen, unterschwelligen Drohungen und Feindmarkierung“. Wie oft beginnt denn Ihr Morgen in dieser Art?

Alexander Roth: Mehrfach im Monat berichte ich über Querdenker und das führt meist zu Beleidigungen und Bedrohungen – nicht immer in der Heftigkeit wie an diesem Tag. Meistens wenn ich auf einer größeren Demo war und darüber berichte, passiert ähnliches in dieser Form. Es sind meist dieselben Akteure daran beteiligt. Dazu gehört auch Heinrich Fiechtner – ehemaliger AfD-Abgeordneter und bekanntes Gesicht der Stuttgarter Querdenken-Szene. Er attackiert mich häufig bei Telegram und war der Grund für diesen Tweet. Aber auch andere Leute aus der regionalen Querdenkerszene verbreiten so etwas untereinander.

ECPMF: Dann ist es für Sie ein fest begrenzter Personenkreis, der Sie regelmäßig attackiert?

Alexander Roth: Es kommt mal jemand neues dazu. Gerade wenn ich eine Person thematisiere, über die ich vorher noch nie geschrieben habe, kann das passieren. Aber in der Regel ist es dieser feste Kreis mit Personen mit relativ hoher Reichweite, von dem die Feindmarkierungen ausgehen. Von denen aus geht’s dann oft weiter. Aber es gibt auch Zuschriften von Leuten, bei denen ich gar nicht zuordnen kann, wo sie überhaupt herkommen. Das beschränkt sich dann wahrscheinlich nicht mehr nur auf unser Verbreitungsgebiet.

ECPMF: Diese Feindmarkierung auf Telegram und die folgenden Bedrohungen scheinen sich immer weiter zu befeuern. Ist das wie eine Art Schneeballsystem, das gar nicht mehr zu stoppen ist?

Alexander Roth: Bisher ist es uns zumindest nicht gelungen, das zu stoppen. Bei offensichtlich strafbaren Beleidigungen haben wir in Einzelfällen versucht, dagegen vorzugehen. Bisher ist dabei nichts herausgekommen. Wir machen das seit zwei Jahren und es dauert einfach sehr lange. Im Januar 2021 haben wir beispielsweise eine Anzeige gestellt aufgrund einer sehr konkreten Drohung: „Ohne Kugeln in deinem Kopf wird nichts passieren. Die Szene braucht einen Einzeltäter“. Etwas unklar war, wer mit dieser Drohung gemeint war, denn es ging um einen Beitrag von mir, aber es wurden in den Kommentaren auch andere Namen genannt. Diesen Telegram-Kommentar haben wir zur Anzeige gegen unbekannt gebracht. Der Kommentar befand sich im Kanal von Heinrich Fiechtner. Das heißt, auch in diesem Fall war er – mehr oder weniger – Auslöser für Bedrohungen gegen mich.


Beleidigungen, Drohungen und Markierungen – Alexander Roth ist ihnen regelmäßig auf Telegram ausgesetzt. In diesem Fall postete der ehemalige AfD-Landtagsabgeordnete Heinrich Fiechtner die Autorenseite Roths zusammen mit einem Text, der neben Beleidigungen, diese Grundaussage hat: „Merken sollte man sich diesen Typen“.
Die Reaktionen auf diesen Post fallen nicht weniger beleidigend und bedrohend aus. 


ECPMF: Gibt es denn weitere Bedrohungen, die Sie bei Ihrer Arbeit behindern – abseits von Bedrohungen und Feindmarkierungen?

Alexander Roth: Mit meinem Kollegen Peter Schwarz habe ich einen Podcast zur Querdenkerszene. Wir wollten das Format auf die Bühne bringen, ein Live-Gespräch dazu machen. Allerdings gab es im Vorfeld massive Drohungen gegen die Veranstaltung, welche auch Kreise in überregionale Kanäle gezogen haben. So beispielsweise auch in den Kanal von Nikolai Nerling, ein bekannter Rechtsextremist, den man auch unter dem Namen „Der Volkslehrer“ kennt. Auf seinem Kanal behauptete er, ich sei Jude und darauf folgten antisemitische Beleidigungen. Es gab auch sehr konkrete Forderungen, mit der Kamera hinzugehen und mich am Eingang der Veranstaltung abzupassen. So mussten wir uns bereits im Vorfeld mit der Polizei abstimmen, unter welchen Bedingungen wir diese Veranstaltung machen können. Wir haben uns tagelang damit befassen müssen, wie wir die Sicherheit herstellen können. Am Ende ist nichts passiert, aber ich wurde schon im Vorfeld an meiner Arbeit gehindert oder sie wurde mir zumindest erschwert.

ECPMF: Welche Auswirkungen hat diese Bedrohungslage auf Sie?

Alexander Roth: Mittlerweile mache ich aus diesem Grund weniger Veranstaltungen. Gerade bei kleineren Veranstaltungen, die auf Außenwerbung angewiesen sind und wo schon Wochen vorher meine Teilnahme bekannt ist, sage ich nun eher ab. Da ist einfach das Risiko zu groß. Im Oktober hatten wir beispielsweise in Winnenden die Verleihung des Lokaljournalistenpreises. Vorher hatten wir in der Einladung darum gebeten, dass man den Ort und die Uhrzeit der Veranstaltung nicht bekannt gibt, was sehr unüblich ist. Die Polizei hat uns bei Planung und Durchführung unterstützt. Wir können natürlich nicht im Vorfeld wissen, ob es dann tatsächlich zu Gewalt gekommen wäre, wenn wir diese Vorkehrungen nicht treffen. Aber wir sehen uns zumindest gezwungen, darüber nachzudenken und das frisst einen Haufen Zeit, die wir eigentlich in Artikel stecken könnten.

ECPMF: Wie empfinden Sie die Zusammenarbeit mit der Polizei?

Alexander Roth: Die läuft gut. Ich weiß, was Kolleginnen und Kollegen erleben. Bei uns gibt es mittlerweile einen sehr kurzen Draht zur Polizei. Ich habe auch einen Ansprechpartner, dem ich regelmäßig Sachen weiterleiten kann, dem ich nicht immer erklären muss, wer ich bin und worum es geht. Dieser ist mit der Lage vertraut und kann direkt sagen, wie wir vorgehen.

ECPMF: Gab es einen bestimmten Zeitpunkt, an dem Sie zum ersten Mal das Gefühl hatten, Sie werden aufgrund ihres Berufs zu einer Zielscheibe der Querdenken-Bewegung?

Alexander Roth: Seit Mai 2020 haben wir Artikel über die Querdenkerszene geschrieben. In meinem ersten Artikel ging es um Maskenverweigerer. Da war noch gar nicht klar, dass es eine Art Szene geben wird. Ich hatte darübergeschrieben, dass es eine Gruppe gibt, die sich darüber austauscht, wo man ohne Maske hingehen kann, wie man Ausreden findet und so weiter. Danach gab es beleidigende Kommentare im Chat, aber auch Kommentare wie: „Der Herr Roth muss mal bald im Steinbruch landen“. Auch Folterinstrumente wurden geteilt. Da habe ich gemerkt: Das ist ein neuer Tonfall. Ich habe mich bereits davor mit Reichsbürgern und ähnlichem beschäftigt. Dort wurde nicht in so einer offenen und krassen Art kommuniziert. Wirklich große Wellen hat es allerdings erst geschlagen, als ich im Januar 2021 von einer Demo mit Heinrich Fiechtner berichtete. Das hat wirklich sehr viele Menschen erreicht und ich wurde überregional zum Feindbild. Seitdem hat das auch nicht mehr aufgehört, sondern verläuft in Wellen. Aber ich weiß eigentlich, wenn ich berichte, dann wird mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit etwas kommen.

ECPMF: Thematisieren Sie Ihre Bedrohungslage in Ihrem Medium?

Alexander Roth: Man muss immer wieder reflektieren, dass die Nachricht und ihre Relevanz das einzige Kriterium ist und nicht meine persönliche Betroffenheit. Ich habe die Möglichkeit über ein größeres Medium Sachen zu publizieren. Das sollte man nicht für private Zwecke ausnutzen. Deswegen nutze ich Twitter, um über Sachen zu berichten, die ich als nicht so berichtenswert einschätze, dass ich sie in der Zeitung ausbreiten müsste.

ECPMF: Haben Sie das Gefühl, dass Sie als Person besonders bedroht werden oder sind Ihre Kolleg:innen ebenso von zielgerichteten Bedrohungen betroffen?

Alexander Roth: Querdenken ist eines meiner Hauptthemen seit zwei Jahren und dementsprechend kriege ich das viel häufiger und vermehrt ab. Aber ich beobachte auf Telegram, dass es jeden treffen kann. Wenn irgendein Artikel erscheint, der der Szene nicht passt, wird das Profilbild des Autors oder der Autorin von der Seite der Zeitung geteilt und es werden abfällige Kommentare dazu gegeben. Umso länger und umso öfter man das macht, umso bekannter ist man und umso öfter wird man zur Zielscheibe.

Das ist im Lokalen ein besonderes Phänomen:
Wir wohnen nah an den Leuten, über die wir berichten.

Alexander Roth

ECPMF: Haben Sie aufgrund dieser Entwicklung bereits überlegt, Schutzmaßnahmen zu ergreifen wie Ihr Profilbild von Ihrer Autorenseite zu entfernen, damit Sie nicht mehr so feindlich markiert werden können?

Alexander Roth: Überlegt schon, aber ich glaube, das ist keine gute Möglichkeit für mich. Ich stehe zu diesen kontroversen Themen mit meinem Namen und meinem Gesicht ein. Ich versuche ja auch mit den Leuten aus der Querdenker-Szene in Austausch zu treten und nenne sie dabei beim Namen – wenn auch oft abgekürzt, so dass der Nachname nicht ersichtlich ist. Aber Schutzmaßnahmen ergreife ich natürlich trotzdem. Auch privat. Das ist im Lokalen ein besonderes Phänomen: Wir wohnen nah an den Leuten, über die wir berichten. Dementsprechend bin ich da vorsichtig.

ECPMF: Hatten Sie bereits Probleme in Ihrem Privatleben, dass Sie wiedererkannt wurden oder Bedrohungssituationen erlebt haben, fern von Ihrer Arbeit?

Alexander Roth: Bisher zum Glück nicht.

ECPMF: In einschlägigen Telegram-Gruppen sind an Sie gerichtete Bedrohungen zu finden. Sie sind selbst Mitglied in diesen Gruppen, da diese Ihnen auch als Hauptquelle dienen, um herauszufinden, wo die nächste Demo stattfindet. Die Mitglieder wissen, dass Sie mitlesen und dass auch teilweise veröffentlichen. Führt dies dazu, dass sie sich bedeckter äußern?

Alexander Roth: Nein. Ich glaube, dass diese Radikalitätsfrage für die Querdenker mittlerweile abgefahren ist. Sie haben zwei Jahre lang versucht, harmlos zu wirken. In der Öffentlichkeit hat sich dieses Bild nicht verfangen und deswegen geben sie sich keine Mühe mehr. Oder die Leute, denen es zu radikal war, sind nicht mehr Teil der Gruppe.  Aber es gab in der Vergangenheit immer wieder Diskussion darüber, wie man mit mir umgehen soll, ob man mich ignorieren oder meinen Namen nicht mehr nennen soll.

ECPMF: Waren Sie neben Bedrohungen auch von tätlichen Angriffen betroffen?

Alexander Roth: Tätliche Angriffe habe ich persönlich nicht erlebt. Bei mir geht es wirklich um Feindmarkierung, Drohungen, Anfeindungen und es ist trotzdem schwierig für mich auf Demos zu gehen. Am 05. Oktober gab es in Stuttgart eine Demo mit AfD-Bundestagsabgeordneten, Dirk Spaniel und auch Heinrich Fiechtner. Während des Demozugs wurde ich von zwei Aktivisten erkannt, die meine Anwesenheit an die Leute auf der Bühne weitergegeben haben. Danach ging es in zwei von drei Redebeiträgen mindestens zur Hälfte darum, dass ich da bin. Ich stand einer 80-köpfigen Menge gegenüber, die angefangen hat „Lügenpresse“ zu skandieren und „Schämen Sie sich“ zu rufen. Das war keine normale Berichterstattung mehr, sondern eine sehr einschüchternde Situation. Ich wurde hämisch angegrinst und als Rechtsextremist bezeichnet. Hier hat die Polizei vor Ort nicht reagiert.


Die Videoaufnahme in diesem Tweet zeigt, wie Alexander Roth von der Bühne aus adressiert wird und die Stimmung sich immer mehr gegen ihn richtet.


ECPMF: Wie äußern sich Bedrohungen gegen Sie fernab vom Demonstrationsgeschehen oder Telegram?

Alexander Roth: Ich bekomme beispielsweise Mails von Personen, teilweise auch unter Klarnamen von der Firmenadresse. Meistens enthalten diese Beleidigungen, die ich nicht anzeigen würde: Käseblatt, Schmierfink – herablassende Bezeichnungen für unseren Beruf.

ECPMF: Was werfen Ihnen die Leute vor, die Sie kritisieren oder gar bedrohen?

Alexander Roth: Ich habe gar nicht das Gefühl, dass es so sehr um die Inhalte meiner Texte geht. Das meiste, was mir vorgeworfen wird, sind Sachen, die ich nie geschrieben habe. Es wird vielmehr ein Bild angenommen, wie Medien über Querdenker berichten. Es geht nicht darum, ob ich derjenige war, der den Artikel geschrieben hat oder ob das Angela Merkel in der Tagesschau gesagt hat. Es ist so ein allgemeines Gefühl, dass Medien immer schreiben, alle sind Nazis und rechtsextrem. Davon fühlen sich Leute angegriffen, über die ich das nie behauptet habe. Ich habe keinen Text darüber geschrieben, dass das Publikum bei diesen Demos rechtsextrem sei. Ich schreibe eigentlich über die Leute auf der Bühne und deren Reden und analysiere deren Inhalte und Verbindungen.

ECPMF: Die Bedrohungen richten sich also meist gar nicht konkret an Sie, sondern Sie repräsentieren bei diesen Drohungen generell „die Medien“?

Alexander Roth: So habe ich das oft erlebt bei den Nicht-Hauptakteuren. Das sind Leute, die mir Feedback geben oder beleidigend werden und mich anfeinden. Bei Akteuren wie Fiechtner und Co., die wirklich den Ton angeben und Feindmarkierung setzen, geht es um Einschüchterung und nichts Anderes.

ECPMF: Inwiefern haben Sie das Gefühl, dass Telegram eine neue Bedrohungslage vor allem auch für Lokaljournalist:innen begründet?

Alexander Roth: Das ist auf jeden Fall eine riesige Bedrohung, weil es keinerlei Moderation gibt und in der Regel alles öffentlich passiert. Besonders zwei Sachen spielen eine große Rolle: Zum einen hat sich das Netzwerk beinahe überall etabliert. In beinahe jedem Ort gibt es mehrere Gruppen, die untereinander relativ gut vernetzt sind, zumindest zu den größeren Akteuren. Zum anderen herrscht das paradoxe Gefühl, dass man auf Telegram in einer Art Privatsphäre schreiben würde. Dabei wissen die Leute ja, dass es öffentlich ist und man mitlesen kann. Sie glauben, sie wären privat, sicher und können so radikal schreiben, wie sie möchten. Diese Radikalität wird auch nicht mehr zurückgespiegelt.

ECPMF: Ist dieses beharrliche Markieren von Journalist:innen ebenso ein neues Phänomen hinsichtlich Bedrohungen?

Alexander Roth: Feindeslisten gibt es ja auch für Journalist:innen sehr lange wie beispielsweise durch das Thule-Netz, wo man unter anderem versuchte, die Privatadressen von Fernseh-Moderatoren herauszufinden. Dieses Bestreben ist somit nicht neu, dafür aber die Technik. Leute streamen auf ihren Kanälen live und jeder kann sich einen Screenshot machen, auf dem ich zu sehen bin. Ich weiß, wenn ich auf eine Demo gehe, werde ich zig-Mal fotografiert und gefilmt. Das war früher nicht der Fall.

Das meiste, was mir vorgeworfen wird, sind Sachen, die ich nie geschrieben habe.

Alexander Roth

ECPMF: Fühlen Sie sich bei Ihrer Arbeit noch sicher?

Alexander Roth: Ja, aber ich gehe schon mit Bauchschmerzen zu einigen Veranstaltungen.

ECPMF: Welche Sicherheitsmaßnahmen haben Sie ergriffen?

Alexander Roth: Wir haben uns um ein Sicherheitstraining bemüht, dass im Februar stattfindet. Dabei geht es gezielt darum, Demoberichterstattung zu trainieren und auf mögliche Folgen einzugehen. Zum Beispiel: Was mache ich, wenn ich Pfefferspray abbekomme? Wie halte ich mir Leute vom Hals, die aufdringlich werden?

ECPMF: Inwiefern werden Sie von Ihrem Arbeitgeber, von Gewerkschaften, aber auch von Kolleg:innen unterstützt hinsichtlich der Berichterstattung und Ihrer Sicherheitslage?

Alexander Roth: Ich habe eine Menge Unterstützung erfahren in diesen zwei Jahren auch von unabhängigen Organisationen, von Gewerkschaftskolleginnen und –kollegen. Da ist ein riesiges Hilfsangebot. Ich habe vieles ausgeschlagen, weil ich es zu dem Zeitpunkt nicht gebraucht habe. Aber wenn ich heute sage, ich brauche psychologische Betreuung oder ich muss ein Sicherheitstraining machen oder ich will da nicht hin, dann ist das überhaupt kein Problem.

ECPMF: Haben Sie das Gefühl, dass Lokaljournalist:innen einem anderen Bedrohungspotential ausgeliefert sind oder damit umgehen müssen als Journalist:innen in überregionalen Medien?

Alexander Roth: Ich glaube, Lokaljournalisten und -journalistinnen haben andere Probleme. Mir ist beispielsweise das Private so wichtig, weil hier alles so nah beieinander ist. Wenn man aus Berlin über Querdenken in Stuttgart schreibt, hat man das Problem vielleicht nicht. Insgesamt glaube ich aber, dass wir vergleichbare Probleme haben – es wird nur unterschiedlich wahrgenommen.

ECPMF: Haben Sie Ideen für konkrete Schritte, um die Bedrohungslage geringer zu machen und die journalistische Berichterstattung weniger risikoreich?

Alexander Roth: Ich glaube, es würde schon viel helfen, wenn die Leute auf der Demo nicht die Einstellung haben, sie könnten mit Journalisten machen, was sie wollen…  In zwei Jahren gibt es dann eine Verhandlung und man wird nicht verurteilt, weil sich keiner mehr erinnern kann, was genau passiert ist.

ECPMF: Führt diese Einstellung ihrer Meinung nach dazu, dass die Hemmschwelle auf Demos gesunken ist?

Alexander Roth: Ich glaube schon, dass es einen Unterschied macht, wenn man merkt, das Handeln hat Konsequenzen. Beispielsweise sitzt Michael Ballweg in U-Haft und es wurde versucht, Leute wie Atilla Hildmann zu fassen. Dabei hat man schon gemerkt: Das macht etwas mit der Szene. Wenn man mitkriegen würde, dass Leute verurteilt werden, weil sie jemanden auf einer Demo beworfen, bespuckt oder angegriffen haben, würde das etwas verändern.

ECPMF: Eine abschließende Frage: Sie sind in Ihrem Arbeitsleben häufig Bedrohungen ausgesetzt. Haben Sie einen Weg gefunden, sich davon zu distanzieren?

Alexander Roth: Ich mache mir immer wieder bewusst, dass es bei den Bedrohungen um den Versuch geht, ein Gefühl von Unsicherheit zu erzeugen. Ich glaube nicht, dass wenn ich morgen auf eine Demo gehe, dass ich schwer verletzt werde. Aber klar, ich gehe nicht aus der Arbeit und das ist dann einfach weg. Das schaffe ich in der Regel eher selten.

Das Interview führte Annkathrin Pohl.